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Urteilsfehler

Wie bereits erwähnt, ist System 1 ständig aktiv und bewertet alle Signale, die es erfasst. Diese Bewertungen werden durch subjektive Wahrnehmungen, Emotionen und Weltanschauungen beeinflusst.

Ein Patient, der z. B. Arzneimitteln kritisch gegenübersteht, bewertet die Risiken von Nebenwirkungen anders, als ein Mensch, der Arzneimitteln gegenüber eher positiv eingestellt ist. Er trifft auf dieser Basis möglicherweise die Entscheidung, das Arzneimittel, das ihm verschrieben wurde, nicht einzunehmen.

Im Rahmen unserer Kommunikation treffen wir ständig Entscheidungen, die auf der Beurteilung von Informationen basieren. Dabei lauern besonders viele Stolpersteine, denn wir haben nur Sekunden Zeit, um die Entscheidung zu treffen.

Ein typisches Beispiel für einen solchen Stolperstein, der besonders gut erforscht ist, ist die sogenannte „Selbstbestätigungsfalle“ (Confirmation Bias). Eine Studie dazu: Menschen wurden gefragt, ob sie für oder gegen die Todesstrafe sind. Entsprechend ihrer Grundeinstellung wurden sie in zwei Gruppen eingeteilt. Die Mitglieder beider Gruppen wurden gebeten zwei Studien zu lesen. Die eine Studie „bewies“ anhand von empirischen Daten, dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung hat, die andere „bewies“ das Gegenteil – ebenfalls anhand von Daten. Anschließend wurden alle Probanden befragt, wie sich die Lektüre der beiden Studien auf ihre Grundeinstellung ausgewirkt hat. Die meisten Probanden blieben bei ihrer ursprünglichen Überzeugung. Mehr noch, die Lektüre der beiden gegensätzlichen Studien festigte die jeweilige Überzeugung. Die Studie, die die jeweils andere Auffassung vertritt, wird als methodisch unsauber und qualitativ schlecht bezeichnet — die Studie, die die eigene Auffassung bestätigt, wird gelobt.

Ziele

Wie erwähnt, spielt die Bewertung von Informationen einen wichtige Rolle bei der Entscheidung, wie wir auf einen Impuls reagieren. Es gibt aber noch einen zweiten Einflussfaktor, der uns häufig nicht bewusst ist. Das sind unsere Ziele.Eine MFA, die sich als Dienstleisterin versteht, hat möglicherweise andere Ziele, als eine, die die Überzeugung vertritt, die Patienten sollten froh sein, dass sie überhaupt einen Termin erhalten haben. Sie wird auch anders im Dialog mit ungeduldigen oder unzufriedenen Patienten reagieren.

Wir unterscheiden zwischen allgemeinen Zielen und speziellen Zielen im Dialog. Unsere allgemeinen Ziele haben wir auf diesem Poster dokumentiert, das für alle Patienten sichtbar in unserem Wartezimmer hängt.

Das Poster können Sie in meinem Online Shop bestellen.

Im Dialog mit unseren Patienten haben wir unsere allgemeinen Ziele im Hinterkopf. In Konfliktsituationen haben wir grundsätzlich das Ziel, den Konflikt zu deeskalieren. Wir fühlen uns nicht persönlich angegriffen, weil wir wissen, dass der Patient im Modus des schnellen Denkens agiert.

Langsam Denken – ein Weg aus einem Konflikt

Im Umgang mit schwierigen Patienten kommen die üblichen Formen professioneller Kommunikation häufig an ihre Grenzen. Das langsame Denken kann in vielen Fällen die Lösung sein.