Ankereffekt

Würden Sie in der Bar Studio 97 mehr Geld ausgeben, als im Studio 17? Ambiente, Getränke, Preise sind in beiden Bars identisch.

Die meisten von uns würden im Studio 97 mehr Geld ausgeben. Der Grund dafür ist der Ankereffekt.


Anker sind vom Absender bewusst gesetzte oder vom Adressaten zufällig aufgeschnappte Impulse, die sein Urteil und damit seine Entscheidungen beeinflussen – auch dann, wenn sie inhaltlich nichts mit der Entscheidung zu tun haben.

Wie der Ankereffekt wirkt, wird z. B. sehr gut durch die Ergebnisse einer Arbeit von Clayton R. Critcher und Thomas Gilovich aus dem Jahr 2008 deutlich [1]:

Probanden sollten prognostizieren, wie viel Geld sie bereit sind, in zwei verschiedenen Bars auszugeben. Die eine Bar trug den Namen „Studio 17“, die andere hieß „Studio 97“. Ohne weitere Informationen zu Bars waren die Probanden bereit, im „Studio 97“ durchschnittlich 8 Dollar
mehr auszugeben als im „Studio 17“. Die Zahl „97“ setzt einen Anker, der überhaupt nichts mit der zu bewertenden Frage zu tun hat und beeinflusst dennoch die Entscheidung.

Vom Ankereffekt lassen sich sogar Richter beeinflussen. Stellen Sie sich vor, ein Richter würfelt, bevor er sein Urteil über einen Ladendieb spricht. Glauben Sie, dass die erwürfelte Zahl das Strafmaß beeinflusst? Eine Studie von Englich,
Mussweiler und Strack zeigte genau das [2]. Richter erhielten eine Information über einen Fall, die jedoch das Urteil verschwieg. Nachdem sich die Richter mit dem Fall auseinandergesetzt hatten, sollten sie eine „Würfelpause“ einlegen. Dazu erhielten sie gezinkte Würfel. Die Richter der Gruppe A erhielten Würfel, die auf eine hohe Zahl manipuliert wurden, die Würfel für Gruppe B wurden auf niedrige Werte manipuliert. Nach der Würfelpause sollten die Richter sich wieder dem Fall zuwenden und angeben, welches Strafmaß sie für angemessen hielten.

Das Ergebnis war, dass Richter der Gruppe A im Durchschnitt eine höhere Haftstrafe (8 Monate) empfahlen als Richter der Gruppe B (6
Monate).

Dass das Problem nicht nur theoretischer Natur ist, sondern durchaus auch praktische Relevanz hat, zeigen Untersuchungen, wonach Gerichtsurteile von der Höhe des geforderten Strafmaßes beeinflusst werden. Fordert ein Staatsanwalt eine höhere Strafe, fällt auch dass Urteil tendenziell höher aus [3]. Die gleichen Untersuchungen zeigen auch, dass Gerichtsurteile von dem zuerst geforderten Strafmaß stärker beeinflusst werden. Das heißt, die Reihenfolge der
Plädoyers, wonach der Staatsanwalt zuerst an der Reihe ist, ist für den Angeklagten von Nachteil.

In meinem Newsletter gehe ich z. B. darauf ein, wie Sie den Ankereffekt gezielt einsetzen können, um Ihre Ziele in Verhandlungen oder Kundengesprächen zu erreichen.


[1] Clayton, C.R., Gilovich, T.: „Incidental environmental anchors“, Journal of Behavioral Decision Making
[2] Englich, B., Mussweiler, T., Strack, F.: „Playing Dice With Criminal Sentences: The Influence of Irrelevant Anchors on Experts’ Judicial Decision Making“. Personality and Social Psychology Bulletin
[3] www.wissenschaft.de/umwelt-natur/ankereffekte-beeinflussen-gerichtsurteile/