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min zu haben. Es ist aber kein Termin eingetragen. Wir informieren den Patienten freundlich und bieten ihm zeitnah einen neuen Termin an. Der Patient besteht aber darauf, dass er einen Termin hat und will in die Sprechstunde. Wir haben keine Möglichkeit, den Patienten irgendwie dazwischenzuschieben, da wir ohnehin schon in Zeitverzug sind. Es handelt sich auch nicht um einen Notfall oder ein akutes Problem. Die Situation eskaliert. Der Patient wird laut. Die MFA merkt, dass eine Deeskalation mit den klassischen Methoden der Kommunikation nicht möglich ist.

In solchen Fällen macht es keinen Sinn, dem Patienten zum dritten Mal den Sachverhalt zu erklären. Er hat „seine Story“ und befindet sich im Modus des schnellen Denkens. Beide Dialogpartner bewegen sich in einer klassischen Spirale. Es ist alles gesagt, und beide wiederholen nur ihre bereits vorgebrachten Argumente – oft mit zunehmender Aggressivität. Der Patient weiß, was die MFA auf seine erneute Forderung, den Arzt zu sprechen, antwortet. Er hört und gar nicht zu, bzw. die Worte der MFA Worte kommen nicht an.

Ein Ausweg aus dem Teufelskreis ist es, den Patienten vom schnellen zum langsamen Denken zu bringen. Das hat die MFA bereits am Anfang des Gespräches vergeblich versucht, indem sie den Sachverhalt erklärt hat. Deshalb sind nun andere Maßnahmen erforderlich. Das schnelle Denken kann an dieser Stelle nur noch in langsames Denken umgeleitet werden, wenn wir aus der Spirale ausbrechen wählen. Einige Möglichkeiten:

  • An eine Kollegin übergeben (mit dem Hinweis (positiv), dass ihr vielleicht eine Lösung einfällt; auf keinen Fall mit dem Hinweis (negativ), dass der Patient offenbar nicht versteht …)
  • Dem Patienten mitteilen, dass sein Auftritt als Angriff verstanden wird und verletzt.
  • Aufstehen und den Patienten um ein kurzes Gespräch unter vier Augen bitten.
  • Den Arzt einschalten.

Wir nutzen das Schlagfertigkeitsmodell, um entsprechende Ideen zu entwickeln.

Das Schlagfertigkeitsmodell

Wir neigen dazu, Menschen zu bewundern, die scheinbar auf alles eine spontane und dazu auch noch kluge und oder witzige Antwort haben. Es mag solche Naturtalente geben, aber man kann sich diese Fähigkeit auch antrainieren. Zumindest für Teilbereiche des Lebens. Das geht mithilfe des Schlagfertigkeitsmodells. Es basiert auf den Erkenntnissen einer Studie des amerikanischen Psychologen Gery Klein. Er hat untersucht, wie Einsatzleiter der Feuerwehr unter hohem Zeitdruck und auf Basis weniger Informationen gute Entscheidungen treffen. Die Ergebnisse der Studie führten zur Entwicklung des Rekognition-Primed-Decision-Making Modells (RPD). Der Name deutet auf das Konzept hin: Schnelle Entscheidungen sind umso besser sind, je mehr Verhaltensmuster wir für eine ähnliche Situation im Gehirn abgespeichert haben (Recognition primed = auf Wiedererkennung basierend).

Die Grafik zeigt, was damit gemeint ist. In einer Situation, wo ein Entscheider unter hohem Zeitdruck steht, wägt er nicht mehrere Optionen gegeneinander ab, sondern er erinnert sich an die Lösung, die er bei einer ähnlichen Situation schon einmal erfolgreich angewendet hat (Rekognition). In den Worten des amerikanischen Sozialwissenschaftlers und Nobelpreisträgers Herbert A. Simon: Die Situation liefert einen Hinweisreiz; dieser Hinweisreiz gibt Zugang zu Informationen, die im Gedächtnis gespeichert sind. Im ersten Schritt simuliert er, ob die Option den gewünschten Effekt bringen kann. Kommt er zu dem Schluss, dass die Option so nicht funktioniert, modifiziert er die Option gedanklich und spielt den Effekt erneut durch. Erst wenn er dann zu der Erkenntnis kommt, dass diese Option nicht funktioniert, durchläuft er den gleichen Prozess mit einer anderen Option. Das alles passiert innerhalb von Sekunden.